Haare haben einen hohen Schmuckwert. Die meisten Menschen legen Wert auf schönes, volles Haar. Doch wie sieht es eigentlich aus, wenn die Haare zwanghaft ausgerissen werden? Diese Zwangsstörung wird als Trichotillomanie bezeichnet und tritt zumeist schon im Kindesalter auf. Sie wird meistens durch ein einschneidendes Ereignis oder Druck ausgelöst.
Der folgende Beitrag erläutert, was Trichotillomanie genau ist, welche Ursachen für diese Zwangsstörung infrage kommen und was mögliche Folgen sind. Zudem werden die Behandlungsmöglichkeiten erläutert, denn eines vorweg: Das zwanghafte Ausreißen der Haare ist behandelbar.
Inhaltsverzeichnis
Was ist Trichotillomanie?
Jeder kennt es wahrscheinlich und hat es wohl auch schon bei anderen gesehen, dass sie sich an den Haaren ziehen oder sie um ihre Finger wickeln. Daran ist meistens nichts ungewöhnlich. Anders verhält es sich bei Menschen, die sich jeden Tag, zum Teil stundenlang die Haare ausreißen und machtlos sind, um etwas dagegen zu tun. Der chronische Charakter und die gestörte Kontrolle der Impulse sind dabei prägend. Das Problem tritt bei Frauen wesentlich häufiger auf als bei Männern.
Als Trichotillomanie wird das zwanghafte Ausreißen der Haare bezeichnet. Das Ausreißen erfolgt bewusst oder unbewusst. Es ist eine Form des mechanischen Haarausfalls. Einzelne Haare oder ganze Büschel von Haaren werden ausgerissen. Das passiert an verschiedenen Stellen des Kopfes, aber teilweise auch an Augenbrauen, Wimpern, Barthaaren oder Körperhaaren. Werden die Haare wiederholt ausgerissen, sind kahle Stellen die Folge.
Da sich Betroffene oft an denselben Stellen die Haare ausreißen, bilden sich an den kahlen Stellen irgendwann keine Haare mehr. Die stark strapazierten Haarfollikel verkümmern und sterben ab. Die Betroffenen reißen dann die Haare an den benachbarten Stellen aus, was die kahlen Stellen immer größer macht. Zuerst sind die Haare an verschiedenen Stellen des Kopfes unterschiedlich kurz, da die Haare noch nachwachsen.
Im weiteren Verlauf bilden sich größere kahle Stellen. Die Betroffenen sehen sich teilweise gezwungen, Haare auszureißen, die anders geformt sind. Menschen, die bei sich die ersten grauen Haare entdecken, reißen sie manchmal aus. Das ist normal und noch keine Zwangsstörung. Werden die grauen Haare immer mehr und werden sie ausgerissen, ist das ein Alarmsignal.
Das ist jedoch äußerst selten der Fall, da das zwanghafte Ausreißen der Haare meistens schon im Kindesalter auftritt. Einige Betroffene, die sich bewusst die Haare ausreißen, wollen die Symmetrie wahren und reißen sich daher an mehreren Stellen die Haare aus. Diejenigen, die sich bewusst die Haare ausreißen, schauen sich mitunter die ausgerissenen Haare genau an oder führen sie an die Mundgegend.
Das zwanghafte Ausreißen der Haare kann von einem starken Ordnungszwang begleitet werden. Die Betroffenen haben oft den Drang, aufräumen zu müssen, und denken, dass sie sich auch lästige Haare ausreißen müssen.
Verschiedene Typen der Trichotillomanie:
- Die Haare werden automatisch, also unbewusst, ausgerissen.
- Der Betroffene reißt sich die Haare konzentriert heraus. Dies wird oft durch das Gefühl einer Anspannung eingeleitet und nach dem Ausreißen tritt eine Entspannung ein.
- Daneben gibt es das dissoziative Herausreißen, wenn sich die Person die Haare in einem Zustand ausreißt, der an eine Trance erinnert.
Ursachen dieser Zwangsstörung
Häufig beginnt die Trichotillomanie bereits im Vorschulalter. Kinder, die sich ungeliebt oder vernachlässigt fühlen, reißen sich die Haare aus, um auf sich aufmerksam zu machen. Auch ein traumatisches Erlebnis wie der Verlust eines geliebten Menschen, eine Vergewaltigung oder körperliche Misshandlung, Mobbing am Arbeitsplatz, ungelöste Konflikte oder der Verlust des Arbeitsplatzes können zum Ausreißen der Haare führen.
Häufig wird die Zwangsstörung durch Ängste verursacht. Versagensängste werden mit dem Ausreißen der Haare kompensiert.
Hin und wieder ist auch Läusebefall die Ursache. Die Betroffenen wollen ihr Problem schnell wieder loswerden und reißen sich die vermeintlich kontaminierten Haare aus.
Weitere Ursachen können Stress im Beruf, in der Familie oder starker psychischer Druck sein.
Es ist auch möglich, dass die Trichotillomanie eine Begleiterscheinung einer Depression oder des Tourette-Syndroms ist. Nicht immer lassen sich deutliche Ursachen finden. Doch welcher Grund auch die Trichotillomanie auslöst, dahinter verbirgt sich immer eine gestörte Impulskontrolle, die zur zwanghaften Handlung führt.
Ausreißen der Haare als Impulskontrollstörung
Die Trichotillomanie gehört zu den Impulskontrollstörungen. Häufig verspüren die Betroffenen zuvor einen unbändigen Drang, einen Druck oder starke Ängste. Die Betroffenen reißen sich die Haare aus, um sich Linderung zu verschaffen.
Durch die sich bildenden kahlen Stellen, die durch das Ausreißen der Haare entstehen, geraten die Betroffenen immer weiter unter Druck. Sie schämen sich oder haben Angst, darauf angesprochen zu werden. Sie gehen daher nicht zum Friseur und tragen Mützen oder Perücken. Schlimmstenfalls kann es zu einer sozialen Isolation kommen.
Mögliche Folgen der Zwangsstörung
Die Trichotillomanie kann nicht nur zu kahlen Stellen und zu sozialer Isolation führen. Geschieht das Ausreißen der Haare häufig und intensiv, kann es zu Entzündungen der Kopfhaut kommen.
Hin und wieder verschlucken die Betroffenen die ausgerissenen Haare oder kauen darauf herum. Das kann zu sogenannten Trichobezoaren im Magen führen. Da die Haare nicht verdaut werden können, sind Übelkeit, Erbrechen oder Magenbeschwerden die Folge.
Werden die Betroffenen erfolgreich behandelt, reißen sie sich oft über viele Jahre keine Haare mehr aus. Die Zwangsstörung kann jedoch immer wieder auftreten. Sie kann durch ein bestimmtes Ereignis oder eine Situation erneut ausgelöst werden.
Das Ausreißen der Haare auf dem Kopf kann mit zusätzlichen Störungen einhergehen, neben der Trichophagie, also dem krankhaften Verschlucken der Haare, und der Beschädigung der Kopfhaut auch mit dem Zwang, einem Tier das Fell auszureißen oder die Haare aus dem Pullover oder Teppich auszuzupfen.
Behandlungsmöglichkeiten der Zwangsstörung
Die Betroffenen sind sich bewusst, dass die Trichotillomanie kein normaler Zustand ist. Sie wollen von ihrem Problem befreit werden. Leiden Sie darunter, dass Sie sich zwanghaft die Haare ausreißen, sollten Sie nicht den Hautarzt, sondern einen Psychotherapeuten konsultieren. Der Psychotherapeut stellt eine Trichotillomanie fest, wenn
- Sie sich so viele Haare ausreißen, dass es zu Haarausfall kommt
- Sie versuchen, das Ausreißen der Haare zu unterdrücken, es aber nicht schaffen
- Ihr Verhalten Sie belastet oder zu einer Funktionsstörung führt.
Er wird Sie zu Ihren Lebensumständen, Störungen oder Einflüssen in der Vergangenheit, einschneidenden Ereignissen in Ihrem Leben und psychischen Belastungen befragen. Der Arzt wird Sie auch über konkrete Situationen befragen, in denen Sie sich die Haare ausreißen.
Für die Behandlung gibt es verschiedene Möglichkeiten. Sind Depressionen die Ursache, kann eine Behandlung mit Antidepressiva erfolgen. Zumeist erfolgt eine Gesprächs- oder Verhaltenstherapie. Bei einer Verhaltenstherapie lernen Sie alternative Verhaltensweisen, um sich in Stresssituationen und unter Druck die Haare nicht mehr auszureißen. Ein solches Beispiel ist das Ballen der Hand zur Faust in derartigen Situationen. Eine weitere Behandlungsmöglichkeit ist das autogene Training.
Zum Aufmerksamkeitstraining gehört eine gezielte Selbstbeobachtung. Der Handlungsablauf wird mit der Situation, den Gefühlen und den Gedanken genau registriert. Es kann helfen, ein Tagebuch über solche Situationen zu führen. Lernen Sie, die positiven Wirkungen wahrzunehmen, wenn Sie sich die Haare nicht mehr ausreißen. Belohnen Sie sich, wenn Sie es geschafft haben, sich über längere Zeit keine Haare mehr auszureißen.
Bei der Trichotillomanie kommt es zu keiner Selbstheilung. Die Beschwerden werden sich weiter verschlechtern, wenn keine Behandlung und Beseitigung der Ursachen eingeleitet wird. Es empfiehlt sich, bei den ersten Beschwerden einen Arzt oder Psychotherapeuten zu kontaktieren, auch um Komplikationen einzuschränken.
Wenn nur noch eine Haartransplantation hilft
Da sich Betroffene die Haare meist inklusive der Wurzel herausreißen, bleiben kahle Stellen dauerhaft zurück. Auch wenn die Haarwurzel vollständig beschädigt wurde, entsteht an der Stelle kein neues Haar. Hier kann eine Transplantation Abhilfe schaffen. Der Eingriff sollte jedoch erst erfolgen, wenn die Zwangsstörung behandelt wurde, sodass keine Symptome des zwanghaften Ausreißens mehr auftreten.
Fazit: Zwanghaftes Ausreißen der Haare ist behandelbar
Als Trichotillomanie wird das zwanghafte Ausreißen der Haare bezeichnet. Bewusst oder unbewusst reißen sich die Betroffenen die Haare aus. Häufig beginnt diese Zwangsstörung bereits im Kindesalter. Sie kann durch belastende Situationen, traumatische Ereignisse oder Stress ausgelöst werden.
Die Betroffenen stehen stark unter Druck. Da die Haare immer wieder ausgerissen werden, bilden sich kahle Stellen, die im Laufe der Zeit immer größer werden. Neben den Kopfhaaren können auch Augenbrauen, Wimpern oder Körperhaare ausgerissen werden. Sie sollten zum Psychotherapeuten gehen, der die geeignete Behandlung vornimmt. Häufig hilft eine Verhaltenstherapie, aber auch autogenes Training.
Wichtig ist eine Therapie. Erfolgsversprechend ist meist die Kombination einer psychiatrischen Behandlung und Psychotherapie. Die kognitive Verhaltenstherapie unterstützt dabei, zu ermitteln, wann und in welchen Situationen man zum Haarausreißen neigt, welche Funktionen es erfüllt und warum es so schwer ist, dem zwanghaften Drang zu widerstehen. Zudem werden Strategien zur Bewältigung des Stresses und der Emotionen entwickelt, um zu lernen, das Verhalten zu kontrollieren. Entspannungstechniken, wie die progressive Muskelrelaxation, sind ebenso hilfreich, denn dem Ausreißen der Haare geht meistens eine Anspannung voraus.
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